Gleich geht die Geschichte weiter, wir atmen nur aus
Mehr als zwei Jahre kämpft die Ukraine nun schon gegen den Aggressor Russland. Was diese Situation für die Menschen dort, aber auch in der Fremde bedeutet, schildern uns die Essays von Tanja Maljartschuk , die seit 2010 in Wien als Journalistin und Autorin lebt und arbeitet.
Denise Hasler, aus Solothurn stammende Schauspielerin liest aus dieser Novelle, musikalisch begleitet wird sie von ihrer Schwester Christine Hasler.
«Deine Heimat ist dort, wo deine Toten liegen. Ein schöner Satz, leider nicht von mir. Ich würde sagen: Deine Heimat ist dort, woher deine Traumata stammen. Wie man die Welt einst wahrzunehmen gelernt hat, sie gesehen, gehört, geschmeckt, gerochen hat, mit wie viel Freude oder vielleicht auch Schmerz, so sieht und riecht und hört man im Leben weiter. Man sitzt im Käfig seiner Heimat für immer fest.»
Die Essays öffnen ein Fenster zum Verständnis des Unvorstellbaren, das gerade in der Ukraine geschieht. Ergreifend und analytisch messerscharf wird dargestellt, was die kriegerische Expansionspolitik Russlands mit diesem Land und seinen Menschen anrichtet. Und das nicht erst seit 2022, sondern seit über einem Jahrzehnt. Wie kann eine Nation unter diesen Umständen zu sich selbst finden? Wie soll man umgehen mit dem Schmerz und der Wut und der Sprachlosigkeit, die der Krieg Tag für Tag heraufbeschwört? All diesen Fragen geht Tanja Maljartschuk in ihren Essays nach: mal analytisch und gefasst, mal verzweifelt, immer wieder aber auch spöttisch und voller Humor. Auch beschreibt sie, in sehr persönlicher Weise, wie es ist, ihr Heimatland. die Ukraine «körperlich» und freiwillig verlassen zu haben, aber dennoch auf eine geistig-emotionale Art untrennbar damit verbunden zu sein.
Die ältesten Texte stammen von 2014 – der Zeit der Maidan-Proteste -, die für die Ukraine Hoffnung und Aufbruch, aber auch die verbrecherische Annexion der Krim bedeutete. Die neusten Texte reagieren auf das, was aktuell tagtäglich in der Ukraine geschieht: der Kampf ums Überleben, um die eigene Würde, Geschichte und Integrität.
Tanja Majartschuk
Tanja Maljartschuk wurde 1983 in Iwano-Frankiwsk, Ukraine, geboren. Nach ihrem Abschluss in Philologie an der Prykarpattia National Universität arbeitete sie als Journalistin für verschiedene Fernsehsender in Kiew.
2004 veröffentlichte sie ihr erstes Buch «Endspiel Adolfo oder eine Rose für Lisa» in der Ukraine. Der 2009 vom Residenz Verlag herausgebrachte Erzählband «Neunprozentiger Haushaltsessig» war Maljartschuks erstes Buch in deutscher Sprache. Ihr Werk «Biografie eines zufälligen Wunders» erschien 2013.
Sie emigrierte 2011 nach Wien, wo sie seither lebt. Sie schreibt auch Kinder- und Jugendliteratur und veröffentlicht regelmässig Kolumnen für die Deutsche Welle (Ukraine) und in Zeit Online. Sie setzt sich intensiv mit den Folgen des russichen Angriffskriegs auf ihre Heimat, die Rolle Russlands und Europas auseinander. Für ihre literarisches Werk erhielt sie zahlreiche Preise, darunter 2018 den Ingeborg-Bachmann-Preis für den auf Deutsch verfassten Text «Frösche im Meer».